Greenwashing und Musik

So sieht RWE die Welt (im Jahre 2010)

Es kann so leicht sein, großes zu bewegen… wenn man ein Riese ist…

Wir gehen voRWEg?

  • Handelt es sich nicht doch vielmehr um Räum-den-Wald-Experten?
    • vgl. Hambacher Forst „Hambi“

Hier wird Green Washing mittels des akustisch im Zentrum des Kino-Spots stehenden fröhlichen Traditionals „I like the Flowers“ betrieben.

Michael Kopatz:

0:45 min – „Der Energieriese von RWE“ in der „Greenpeace-Edition.“
  • „Kürzlich ließ RWE einen grünen Riesen durch die Kinos ziehen. In computeranimierter Idylle war zu bestaunen, wie das sanfte Geschöpf Landschaften repariert, Windkraftanlagen installiert und ein Kraftwerk in den Ozean setze. Die Botschaft: ‚Es kann so einfach sein, Großes zu bewegen. Wenn man ein Riese ist.‘ Als dieser Sport lief, erzeugte RWE jedoch lediglich zwei Prozent seines Stroms naturverträglich“ (Kopatz 2016, 50).

>> s.a. Dorfer, Tobias (2010): „RWE – das Märchen vom grünen Riesen“. in: Süddeutsche Zeitung, 17.5.2010, online unter https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/energie-werbefilm-und-wahrheit-rwe-das-maerchen-vom-gruenen-riesen-1.162052 (Abrufdatum 11.6.2021)


Pharrell Williams („Happy“, Sommerhit 2013) und die „Ästhetisierung des Desasters“ (Hartmann 2018, 62)

Pharrell Williams: Image Film zu Plastik Jeans

Die BUNTE (2015):

  • „Gemeinsam mit dem Label G-Star RAW hat Pharrell Williams (42) nun die weltweit erste Denim-Linie entworfen, die aus recyceltem Plastik aus dem Pazifik besteht. Damit will der Musiker auf Lösungsansätze gegen die Umweltverschmutzung aufmerksam machen und nimmt eine bemerkenswerte Vorbildfunktion ein. … [Ein hier nicht gezeigter, anderer] Kurzfilm zeigt neben den Umweltschäden, wie rund 300.000 Tonnen Plastikmüll für die stylischen Jeans aus dem Meer gefischt wurden.“ (Hervorhebungen: Bunte)

Kathrin Hartmann dazu:

  • „Wer sich für eine seiner angesagten ‚Raw-For-the-Ocean‘-Jeans entscheidet, ist also kein Fashion-Victim, sondern Umweltaktivist, der qua Kauf auch noch sieben Plastikflaschen aus dem Meer herausgeangelt hat. Heißt: Je mehr von diesen Kleidungsstücken über die Ladentheke wandern, desto besser für die Umwelt. Eine frohe Botschaft für die Meere, denn die Modefirma G-Star möchte so neun der 140 Millionen Tonnen Plastik aus dem Meer holen. Und gleichzeitig 30 Prozent Baumwolle einsparen. Schwuppdiwupp hat der Sänger der Optimisten-Hymne ‚Happy‘ ein Horrorszenario in eine gute Nachricht mit ästhetischem Mehrwert verwandelt und das Thema sogar Bunte-tauglich gemacht: Der Müll im Meer ist kein Problem mehr, sondern nützlich. Geschenkt, dass beinahe drei Viertel des Plastiks im Meer gar nicht auf der Oberfläche treibt, sondern … unter Wasser und fein zerrieben am Meeresboden liegen“ (2018, 60).

Thema „Musik bzw. Musiker*innen unterstützen SUVs und allgemein den ‚Weiter So‘-Lifestyle.

Eine in der Tat originelle TV-Werbung aus dem Jahre 2015… aber: Wann wurde noch mal der Dieselskandal bekannt? Markenmanager haben stets Angst, ihr Testimonial – so ein raubeinige*r Musiker*in könne durch Sex, Drug & Rock’n’Roll-Fehlverhalten der Marke schaden. Tatsächlich kann die Markenschädigung von Fall zu Fall auch umgekehrt entstehen. [Der Dieselskandal kam im September 2015 in die Öffentlichkeit.]

Angesichts der unbedingt erforderlichen Einhaltung des völkerrechtlich bindenden Pariser Abkommens sind viele CO2-triefende Produkte und Dienstleistungen schlicht kontraproduktiv. Die massenmediale Bewerbung

  • von spritfressenden, ressourcenintensiven und luftbelastenden SUV – aber auch
  • für die Illusion, man könne Verbrenner zahlenmäßig 1:1 durch E-Autos ersetzen

gerät daher zur politischen Aussage zugunsten des unhaltbaren „Weiter so“.

Die Musik zu solchen Werbefilmen dient da als emotionaler Steigbügelhalter – und Musikerinnen, Testimonials und Musikerinnen als „Markenbotschafter*innen“ zeigen Ihrer Zielgruppe und ihren Fans, wofür sie (nicht) stehen – und fungieren hier potenziell als negatives Vorbild.

Dua Lipa Sings Want To Live Video + Interview Dua Lipa Funny Jaguar I Pace Premiere 2019 CARJAM

Wenn also Dua Lipa Markenbotschafterin für den elektrischen, 2,2 Tonnen (vgl. ADAC 2022) schweren Jaguar iPace ist, einen Song dafür zur Verfügung stellt, der mit Hilfe eben jenes Jaguars (!) inkl. viel ressourcenintensiver Technik remixed wird – und wenn Johnannes Strate von Revolverhead im Jahre 2018 sowohl im Hambacher Wald wie ebenfalls bei der Amsterdamer Jaguar-iPace Release-Party auftaucht (vgl. Bunte 2018), und beide Musiker*innen es ganz prima finden, dass der Stadtpanzer „vollelektrisch“ betrieben wird, dann ist das nach meiner Wahrnehmung: Greenwashing. Ressourcen-orgiastische Riesenautos (SUVs) sind keine Option in einer emissionsfreien Welt.

BMW kapert FFF mit den im Werbefilm enthaltenen Slogans „There Is No Planet B“ | „Tomorrow Is Too late“ | „Shape Your Future“ | „Make Earth Cool Again“ — YouTube-Kommentar: „As a climate activist I had always secretly hoped that BMW might become an ally some day. I’m so glad!“ – Und wenn das Ding 10x elektrisch ist: Das ist m.E. greenwashing, denn diese Werbung samt FFF-Slogans suggeriert m.E., das eine „Antriebswende“ vom Verbrenner zum E-Antrieb ausreicht, um die Zivilisation zu bewahren. Und das ist m.E.: Wunschdenken.

Ähnliches gilt für Coldplay, die 2021 die Werbung für einen elektrischen BMW mit ihrer Musik untermalten. Der entsprechende Werbeclip „adoptiert“ darüber hinaus auch noch ungefragt Fridays For Future und unternimmt gewissermaßen auf diese Weise den Versuch, sich an die Spitze der Klimabewegung zu stellen – oder doch sich mindestens als Teil der Lösung zu präsentieren.

Nein. Motorisierter Individualverkehr (MIV) kann allein aus Gründen der absehbaren Energieknappheit nicht Teil der Lösung sein.

>> weiteres zu Coldplay s.a. Abschnitt Musikindustrie, Live-Entertainment & zukunftsfähige Emissionsfreiheit


Soweit zu Autowerbungen der letzten Jahre und Musiker*innen als negative Vorbilder.

Gleiches gilt für Flugfernreisen-Produkte und sonstige Weiter-so-was-geht-mich-mein-ökologischer-Fußabdruck-Produkte. Fernsehen, Print, Online, Plakate sind voll davon: Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es gerade solche Produkte sind, die heftig beworben werden. Je mehr man es nötig hat, desto wichtiger scheint eine entsprechende Werbung.

Musiker*innen haben es heute – nach Verlust des Geschäftsmodells ‚Tonträger‘ noch schwerer als ohnehin, Geld zu verdienen. Werbung ist eine Möglichkeit um sich finanziell freizuschwimmen. Gleichwohl sind Musiker*innen in diesen ökologischen Umbruchsjahren m.E. gut beraten, nur und ausschließlich für Produkte zu werben bzw. nur für diejenigen Produkte ihre Musik zu lizensieren, die zukunftsfähig sind. Alles andere schadet dem Image. Und, wichtiger: Musiker*innen sind Multiplikator*innen und tragen als solche – ob sie wollen oder nicht – eine besondere Verantwortung.

>> s.a. Abschnitt „Statements und Aktionen“, wo Greta Thunberg 2019 den Sonderpreis „Klimaschutz“ der Goldenen Kamera erhält und die*der Zuschauer*in im späteren Verlauf der Sendung erfährt, dass die Empfängerin des Nachwuchpreises einen SUV namens „VW T-Cross“ erhält: Champagner! Hoch die Tassen bei VW: Greenwashing at its best – angesichts von 34.300 Dieselskandal-Toten allein im Jahr 2015, vgl. Handbuch Klimakrise Abschnitt Thema ‚Autoindustrie‘.


Quellen des Abschnitts „Greenwashing und Musik“